Redaktion | 08.06.2021 | Lesedauer 3 min

Nach der Erhebung qualitativer Daten, etwa im Rahmen von Experteninterviews, folgt deren Auswertung. Hierzu existieren verschiedene Verfahren. Bei einigen dieser Methoden ist das Codieren von Texten ein wesentlicher Bestandteil, zum Beispiel bei der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring oder bei der Grounded Theory. Ziel des Codierens ist eine Systematisierung der aus den Interviews gewonnenen Informationen, sodass diese zur Beantwortung der Forschungsfrage genutzt werden können. Dies mag zunächst kompliziert klingen, umfasst aber nur wenige Schritte, die wir nachfolgend kurz erklären.

Schritt 1

Die Bildung von Kategorien

Grundlage des Codierens ist der Codierleitfaden. Dieser besteht aus Kategorien, Beispielen und Codierregeln. In einem ersten Schritt müssen die Kategorien festgelegt werden, mit deren Hilfe die in den Interviews zusammengetragenen Aussagen abstrahiert und klassifiziert werden können. Kategorien können entweder deduktiv, induktiv oder deduktiv-induktiv gebildet werden:

  • Deduktiv:
    Die Kategorien werden vorab formuliert.
  • Induktiv:
    Die Kategorien werden aus dem Text heraus entwickelt.
  • Deduktiv-induktiv:
    Einige Kategorien werden vor dem Codieren festgelegt und durch weitere Kategorien ergänzt, die sich bei der Durchsicht der Texte ergeben.

Wurden beispielsweise leitfadengestützte Experteninterviews durchgeführt, kann sich die Kategorienbildung etwa an der Fragegruppierung des Interviewleitfadens orientieren. Bei Interviews ohne Leitfaden lassen sich Kategorien in Abhängigkeit von der übergeordneten Forschungsfrage bilden. In der Regel kristallisieren sich bereits bei der ersten Durchsicht der transkribierten Interviews Kategorien heraus: Befassen sich etwa einzelne Textstellen inhaltlich mit dem gleichen Thema, kann dieses Thema als Kategorie genutzt werden, der sich dann weitere Textstellen zuordnen lassen.

Welche und wie viele Kategorien letztendlich festgelegt werden, bleibt Ihnen selbst überlassen, jedoch sollte bei der Erstellung von Kategorien Folgendes beachtet werden:

Die Kategorien müssen klar definiert sein. Es muss also genau festgelegt werden, welche inhaltlichen und/oder formalen Aspekte die Textstellen erfüllen sollen, um der Kategorie zugeordnet werden zu können.

Die Kategorien sollten nicht zu umfassend formuliert sein. Eine Kategorie sollte sich also nicht in mehrere Unterkategorien aufteilen lassen.

Die Kategorien sollten nicht zu eng formuliert sein. Es sollte also vermieden werden, dass sich mehrere Kategorien zu einer Kategorie zusammenfassen lassen.

Die Kategorien müssen relevant sein. Sie müssen also so festgelegt werden, dass sie zur Beantwortung der Forschungsfrage(n) herangezogen werden können.

Insgesamt sollten die Kategorien so definiert werden, dass sie dazu geeignet sind, den Text in seiner Komplexität zu reduzieren und die Analyse damit zu erleichtern.

Schritt 2

Die Zuordnung von Beispielen

Nachdem die Kategorien zur Systematisierung des Textes festgelegt sind, werden diese mithilfe von Musterbeispielen aus dem Text untermauert, sodass die Codierung des Textes, also die Zuordnung von Textpassagen zu den Kategorien, transparent und nachvollziehbar ist. Als Beispiele eignen sich vor allem solche Textstellen, die spezifisch für die jeweilige Kategorie sind und sich damit eindeutig dieser Kategorie zuordnen lassen. Diese Beispiele können entweder dem Interviewprotokoll oder dem transkribierten Interview entnommen werden. Ausschlaggebend ist, dass die Beispiele so gewählt werden, dass sie klar zeigen, welche Textstellen zu welcher Kategorie gehören.

Erstellung Codierleitfaden
Schritt 3

Die Festlegung von Codierregeln

Kategorien sollten zwar so festgelegt werden, dass sie sich klar und eindeutig voneinander abgrenzen lassen, sodass eine Zuordnung von Textstellen leicht möglich ist. Dennoch kann es hierbei mitunter zu Unklarheiten in Bezug auf die passende Kategorie und zu Überschneidungen mehrerer Kategorien kommen. Für diese Fälle sind Codierregeln zu formulieren, mit deren Hilfe eine Abgrenzung von Kategorien untereinander und damit eine Zuordnung von Textstellen in die richtige Kategorie vereinfacht werden sollen. In einer Codierregel wird daher festgehalten, unter welchen Bedingungen eine Textstelle einer bestimmten Kategorie zugeordnet wird. Dies können inhaltliche, aber auch formale Aspekte sein. Ist eine Kategorie bereits so trennscharf definiert, dass eine Abgrenzung zu anderen Kategorien und eine Zuordnung von Textstellen eindeutig möglich ist, muss keine Codierregel für diese Kategorie erstellt werden.

Beispiel

Beispiel für den Aufbau eines Codierleitfadens für Interviews zum Thema „Gendern“

Kategorie Definition Musterbeispiel Codierregel
Verständnis des Begriffs „Gendern“ Alle Textpassagen, in denen deutlich wird, was die interviewte Person unter dem Begriff „Gendern“ versteht Interview 1, S. 1, Z. 3:
„Gendern, also wenn ich zum Beispiel nicht nur die männliche Form verwende, sondern auch die weibliche Form, kommt ja mittlerweile immer häufiger vor.“
Textstellen müssen definitorische Aspekte des Begriffs „Gendern“ enthalten.
Argumente für das Gendern in wissenschaftlichen Texten Alle Textpassagen, in denen Argumente genannt werden, die für das Gendern in wissenschaftlichen Texten sprechen Interview 1, S. 3, Z. 14:
„Geschlechtsneutrale Formulierungen können bestimmt dazu beitragen, dass Menschen sich nicht ausgeschlossen fühlen.“
Textstellen müssen tatsächliche Argumente enthalten, keine rein wertenden Aussagen.

Das Codieren des Textes

Mit der Bildung von eindeutig und klar definierten Kategorien, der Zuordnung von Musterbeispielen zu jeder Kategorie und der – falls erforderlich – Formulierung von Codierregeln ist die Erstellung des Codierleitfadens, der meist in tabellarischer Form dargestellt wird, abgeschlossen. Mithilfe des Codierleitfadens kann der Text nun codiert werden. Sie gehen den Text also Passage für Passage oder auch Satz für Satz durch und ordnen jede für die Beantwortung der Forschungsfrage relevante Aussage der passenden Kategorie zu. Dieser Vorgang kann entweder mithilfe eines Computerprogramms wie MAXQDA, mit farblichen Markierungen direkt im Text oder mit dem Einfügen der Textstellen in den tabellarischen Codierleitfaden unter die jeweilige Kategorie durchgeführt werden. Die Länge der zugeordneten Textstellen kann dabei unterschiedlich sein und ganze Absätze, mehrere Sätze oder auch nur einzelne Wörter umfassen.

Wenn Sie das Codieren der Texte, beispielsweise der Interviews, abgeschlossen haben, steht Ihnen im Ergebnis eine Übersicht zur Verfügung, in der alle relevanten Aussagen der Interviews einer Kategorie zugeteilt sind. Gleichzeitig sind unter jeder Kategorie alle für diese Kategorie relevanten Passagen aufgeführt. Diese Übersicht kann nun dazu genutzt werden, die Ergebnisse der Interviews zusammenzufassen, die prägnanten Aussagen herauszufiltern und zu evaluieren und somit schlussendlich die Forschungsfrage(n) zu beantworten. Das Codieren mit Codierleitfaden vereinfacht also mit einer systematischen Herangehensweise die Auswertung qualitativer Texte und gewährleistet durch das strukturierte und dokumentierte Vorgehen, dass die Auswertung transparent erfolgt ist und von anderen nachvollzogen werden kann.

Support

Hilfe bei der Auswertung qualitativer Daten

Sollten Sie Unterstützung bei der Erstellung eines Codierleitfadens, beim Codieren von Texten oder bei der darauffolgenden Diskussion der Ergebnisse im Hinblick auf die Beantwortung der Forschungsfragen benötigen, helfen Ihnen die erfahrenen Autor:innen von ACAD WRITE jederzeit kompetent weiter. Melden Sie sich einfach und fordern Sie ein unverbindliches Angebot an. Interviews auswerten lassen