Was ist ein Ethikantrag und wann muss er gestellt werden?

Entdecken Sie die Bedeutung ethischer Überlegungen in der wissenschaftlichen Arbeit und erfahren Sie mehr über den Prozess und die Anforderungen.

Sandra | 28.09.2023 | Lesedauer 4 min

Forschung am Menschen ist streng gesetzlich geregelt. So bedarf es für jegliche Forschung mit Proband:innen, aber auch für Forschung mit identifizierbarem menschlichem Material oder identifizierbaren Daten der Zustimmung der zuständigen Ethikkommission. Für Forschung an Universitäten ist das jeweils die Ethikkommission der jeweiligen Fakultät, an der das Forschungsprojekt durchgeführt wird. Es gibt auch Universitäten, die nur eine Ethikkommission für alle Fakultäten haben. Diese Zustimmung wird mithilfe eines schriftlichen Antrags eingeholt, dem Ethikantrag.

Der Sinn des Ethikantrags ist die Überprüfung des Forschungsvorhabens, um das Risiko der Teilnehmenden durch mit der Forschung einhergehende mögliche Schäden oder unverhältnismässige psychische oder physische Belastung zu minimieren, wenn solche nicht vollständig vermieden werden können. Dies gilt für jegliche Forschung mit Menschen oder menschlichem Material, aber insbesondere, wenn die Proband:innen besonderes vulnerable Gruppen einschliesst, wie Kinder, Jugendliche und andere Gruppen mit eingeschränkter Einwilligungsfähigkeit.

Forschungsvorhaben, die Tierversuche einsetzen, müssen einen Genehmigungsantrag bei der zuständigen Behörde des Kreises, Bezirks oder Bundeslandes stellen, dem eine Stellungnahme des oder der Tierschutzbeauftragten des Forschungsinstituts beigelegt ist. Dieser Genehmigungsantrag für Tierversuche ist nicht mit dem für Forschung am Menschen oder menschlichen Material vorgesehenen Ethikantrag zu verwechseln.

Forschungsvorhaben, die kein Risiko oder keine vermehrte Belastung für die Teilnehmenden darstellen, wie es beispielsweise bei Expert:inneninterviews der Fall ist, ist ein Ethikantrag nicht erforderlich.

Tabelle 1: Erforderlichkeit eines Ethikantrags für verschiedene beispielhafte Forschungsvorhaben

Forschungsvorhaben Ethikantrag Notizen
Klinische Studie mit menschlichen Proband:innen Erforderlich Besondere Stellungnahme bei Einschluss vulnerabler Populationen notwendig
Sozialwissenschaftliche Studie mit menschlichen Proband:innen Erforderlich Besondere Stellungnahme bei Einschluss vulnerabler Populationen notwendig
Retrospektive Analyse von identifizierbaren Patient:innendaten Erforderlich
Retrospektive Analyse anonymisierter Patient:innendaten Nicht erforderlich
Expert:inneninterviews Nicht erforderlich
Tierversuche Kein Ethikantrag notwendig Genehmigungsantrag bei der zuständigen Behörde notwendig
Analyse von Geweben von identifizierbaren Patient:innen Erforderlich

Wer stellt den Ethikantrag?

Die Projektleiter:in eines Forschungsvorhabens stellt normalerweise den Antrag vor Beginn des Forschungsvorhabens bei der zuständigen Ethikkommission. Der Antrag kann auch von Studierenden unter der Leitung einer Doktormutter, eines Doktorvaters oder ähnlichen vorgestellten Personen gestellt werden.
Ethikantrag stellen

Was steht in einem Ethikantrag und wie gehe ich bei der Antragstellung vor?

Viele Ethikkommissionen verwenden standardisierte Antragsformulare der zuständigen Landesbehörde, wie beispielweise das der Gemeinsamen Ethikkommission der Hochschulen Bayerns (GEHBa) in Bayern, das hier angehängt ist, oder ein eigenes standardisiertes Antragsformular. Zur Antragstellung muss daher das entsprechende Formular möglichst detailliert ausgefüllt und bei der Ethikkommission eingereicht werden.

 

Wichtige Angaben im Antragsformular

Kontaktdaten und Basisinformationen

Das Antragsformular hat im Allgemeinen Formfelder für die Kontaktdaten der Antragsteller:in, wie Titel, Name, Institution, E-Mail, Telefonnummer und Anschrift.

Begründung des Forschungsvorhabens

Anschliessend müssen der Titel, die Fragestellung, der Hintergrund und die Hypothese des Forschungsvorhabens beschrieben werden. Hierzu ist es sinnvoll, klarzustellen, warum das Forschungsprojekt durchgeführt werden soll, d. h., es sollte die Forschungslücke, die durch das Forschungsvorhaben gefüllt werden soll, beschrieben werden und warum hierzu Studien am Menschen oder an menschlichem Material notwendig sind. Besteht ein dringender Forschungsbedarf, um bessere Therapien zu entwickeln, sollte dies erwähnt werden.

Methodische Details des Forschungsprojekts

Nach dieser einführenden Begründung des Forschungsvorhabens und der Bedeutung von Studien am Menschen für das Projekt muss als Nächstes die Methodik genau beschrieben werden. Dazu müssen Fragen wie die folgenden beantwortet werden, die sich im Antragsformular befinden:

  • Handelt es sich um Forschung am lebenden Menschen?
    • Wenn ja: Um welche Personengruppe handelt es sich (gesunde Proband:innen, Patient:innen, Minderjährige, weitere Charakteristika)?
  • Ist eine statistische Fallzahlschätzung erfolgt? Angaben zur Biometrie und Rekrutierung.
    • Wenn nein: Forschungsgegenstand und Besonderheiten benennen (z. B. Sekundärdatenanalyse, Angaben zur Datenbank, Einwilligung der für den Datenschutz beauftragten Person).

 

Studiendetails

Ein- und Ausschlusskriterien, Ort, Dauer und Untersuchungsmethodik

Die Ein- und Ausschlusskriterien der Studie müssen ebenso beschrieben werden, wie der Ort, wo die Studie durchgeführt wird, welche Untersuchungsmethodik verwendet wird und ob es sich bei der Studie um eine Ein- oder Multicenter-Studie handelt. Die geplante Anzahl von Teilnehmenden, die Studiendauer insgesamt sowie die Dauer für die individuellen Studienteilnehmenden muss ebenfalls angegeben werden. Beispielsweise kann eine Studie Patient:innen über einen geplanten Zeitraum von drei Jahren aufnehmen, einzelne Teilnehmende werden allerdings nur über einen dreimonatigen Zeitraum behandelt und ferner nach 12 und 24 Monaten nachuntersucht. Damit wäre die Studiendauer fünf Jahre (drei Jahre Patient:innenaufnahme plus zwei Jahre Nachuntersuchung für die am spätesten aufgenommenen Patienten:innen).

 

Risiken und Belastungen für Studienteilnehmende

Körperliche Risiken und Aufwandsentschädigung

Mögliche Risiken und Belastungen für die Patienten:innen durch die Teilnahme an der Studie müssen ebenso detailliert und spezifisch beschrieben werden und auch, ob die Teilnehmenden eine Aufwandsentschädigung erhalten und wenn ja, welcher Art diese ist und wie hoch sie liegt.

Datenschutz und Anonymisierung

Es muss ferner aufgelistet werden, welche persönlichen Daten erhoben und in welcher Form und wie lange diese gespeichert werden. Werden persönliche Daten erhoben, aber wird die Studie anschliessend anonymisiert, muss erklärt werden, wie die Anonymisierung stattfindet und wer Zugang zum Anonymisierungsschlüssel hat.

Eine spezielle Stellungnahme kann erforderlich sein, wenn die Teilnahme mit Schmerzen verbunden sein kann. Dies kann beispielweise dann der Fall sein, wenn Patient:innen an einer schmerzhaften Erkrankung leiden und eine Placebogruppe im Studiendesign vorgesehen ist. Es ist möglich, dass die Ethikkommission ein solches Design ablehnt und stattdessen ein Studiendesign verlangt, bei dem die Kontrollgruppe die derzeit empfohlene Behandlung erhält. Die neue zu testende Behandlung muss dann nachweisen, dass sie nicht schlechter und im Idealfall besser ist als die anerkannte Behandlung. Ein solches Studiendesign wird als „Non-Inferiority-Studie“ bezeichnet.

 

Besonderheiten psychologischer oder sozialwissenschaftlicher Studien

Bei psychologischen oder sozialwissenschaftlichen Studienvorhaben können psychische Risiken, wie starke Emotionen oder Stress, durch die Teilnahme bedingt sein. Auch diese bedürfen einer besonderen Stellungnahme durch die Antragsteller:in. Dies gilt auch für Studiendesigns, bei denen eine Täuschung der Teilnehmenden oder eine unvollständige Aufklärung über den Zweck und den Verlauf der Studie vorgesehen ist.

Aufklärungsformular und Teilnehmerkommunikation

Als Anhang muss der Ethikantrag das Aufklärungsformular für die Studienteilnehmenden enthalten und darstellen, wie die Aufklärung vonstattengeht und dass die Teilnehmenden jederzeit das Recht haben, aus der Studie mit oder ohne Angabe von Gründen auszuscheiden sowie zusätzlich, wie die Teilnehmenden die Studienleitung kontaktieren können.

Empfehlungen vor Studienbeginn

Die Studienleitung sollte sich vor Beginn der Studie das Antragsformular der zuständigen Ethikkommission genau anschauen und bei Fragen dieselbe kontaktieren. Es ist wichtig, dass der Ethikantrag vor Beginn der Studie genehmigt ist. Daher ist es wichtig, dass genügend Zeit vor Studienbeginn eingeplant wird, damit die Ethikkommission den Antrag begutachten kann. Die Ethikkommission kann gegebenenfalls darüber Auskunft geben, welche Zeitspanne hierfür üblich ist.